Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten
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Bewahrung der kulturellen Vielfalt: Theorie und Praxis

Der zweite Tag des 67. FUEN-Kongresses in Pécs/Fünfkirchen/Pečuh stand ganz im Zeichen der kulturellen Vielfalt und der Bemühungen, diese zu erhalten. In Ungarn gibt es 13 offiziell anerkannte Nationalitäten, und der Tag begann mit der Vorstellung von elf ihrer Selbstverwaltungen – den Deutschen, Kroaten, Slowaken, Rumänen, Roma, Bulgaren, Ruthenen, Slowenen, Polen, Serben, Griechen, Ukrainern und Armeniern.

Nach den Grußworten von László Őri, dem Vorsitzenden der Selbstverwaltung des Komitats Branau/Baranya, der sagte, dass das Komitat ein Beispiel für das Zusammenleben der Nationalitäten in Europa sei, gingen die Leiter der Selbstverwaltungen auf die Einzelheiten des Minderheitenlebens in Ungarn ein. Das Nationalitätengesetz des Landes bietet allen anerkannten autochthonen Minderheiten kulturelle Autonomie. Sie verfügen über eine Struktur lokaler Selbstverwaltungen und können ihre eigenen Kultur- und Bildungseinrichtungen gründen und organisieren und für deren Betrieb staatliche Unterstützung erhalten. Was die politischen Vertretungen betrifft, so hat jede Minderheit eine Sprecherin bzw. einen Sprecher im ungarischen Parlament und einen eigenen Nationalitätenausschuss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Probleme und Herausforderungen gibt, denen sich die Nationalitäten in Ungarn stellen müssen. Wie einer der Diskussionsteilnehmer sagte, gibt es einen widersprüchlichen Prozess: Weniger Menschen sprechen Minderheitensprachen, aber mehr Menschen nehmen ihre kulturellen Bezüge an.

Die Ergebnisse der Volkszählung 2011 zeigen, dass die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die sich als Minderheit bezeichnen, um ein Drittel gestiegen ist, aber dieselben Ergebnisse zeigen auch, dass viele von ihnen die Minderheitensprache nicht als ihre Muttersprache betrachten. Sprachverlust und Assimilierung sind für diese Gemeinschaften eine eindeutige und gegenwärtige Gefahr, aber sie versuchen, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen, die sie haben, wie sie es ausdrücken. Tatsächlich nimmt die Zahl der Schüler, die Bildungseinrichtungen für Minderheiten besuchen, zu.

Ein weiteres Problem ist die Abwanderung – sowohl in andere Länder als auch innerhalb des Landes, da die Minderheiteneinrichtungen viele ihrer Dienstleistungen in einem geografisch begrenzten Gebiet anbieten können, so dass Menschen, die beispielsweise in die Hauptstadt ziehen, nicht von ihnen profitieren können. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Volkszählung von 2022 werden allen ein klareres Bild von der Anzahl und dem Zustand der 13 in Ungarn lebenden Nationalitäten vermitteln.

Die Exkursionen im Anschluss an die Debatte führten die Teilnehmer*innen von der Theorie zur Praxis an verschiedene Bildungseinrichtungen für Minderheiten in Ungarn, wo sie die Gelegenheit hatten, mit der Schulleitung, den Lehrenden und Lernenden zu sprechen.

  • Valeria-Koch-Schulzentrum der deutschen Minderheit

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) der FUEN besuchte die von der Selbstverwaltung der Deutschen in Ungarn betriebene zweisprachige Schule, die Sprache, Kultur und Identität der Deutschen gleichermaßen pflegt und derzeit 914 Schülerinnen und Schüler im Primar- und Sekundarbereich unterrichtet. Sie betreibt auch ein Internat für 107 Jugendliche und ist Betreiber zweier Kindergärten in der Stadt. Wöchentlich gibt es fünf Deutschstunden und eine besondere Stunde über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und Kultur, wobei mindestens die Hälfte des Unterrichts in deutscher Sprache stattfindet. Die Schule organisiert auch viele Minderheitenprojekte und bezieht Eltern und Großeltern in viele ihrer Aktivitäten ein. Die Schule hat vor kurzem einen Lernpfad zur Geschichte der Minderheit eröffnet und ist auch Veranstalter des sehr beliebten Schwabenballs, an dem 2000 Menschen teilnehmen. Der Besuchergruppe wurden die Einrichtungen der Schule gezeigt, sie nahm an einem kurzen Kulturprogramm teil und besuchte eine Tanzklasse und den Lernpfad.

Das Deutsche Pädagogisch-Methodische Zentrum in Ungarn war bis 2021 Teil des Valeria-Koch-Schulzentrums und wurde dann zu einer eigenständigen Einrichtung, die Gastgeber für die Arbeitsgruppe Bildung der FUEN war. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe erhielten detaillierte Informationen über die Aktivitäten und Programme des pädagogischen Zentrums.

  • Miroslav-Krleža-Schulzentrum der kroatischen Minderheit

Die Arbeitsgruppe für slawische Minderheiten (AGSM) der FUEN besuchte die 1952-1953 gegründete kroatische Schule. Es handelt sich um eine staatlich finanzierte Schule, die einen zweisprachigen Lehrplan anbietet, nämlich Ungarisch und Kroatisch. Alle Lehrer des Instituts sind zweisprachig. Die Schüler*innen, die die Schule besuchen, stammen sowohl aus verschiedenen Minderheitengruppen als auch aus der Mehrheit und beherrschen zum Zeitpunkt des Schulabschlusses beide Sprachen fließend.

  • Gandhi-Gymnasium der Roma-Minderheit

Ein Gymnasium für Roma? Das Interesse der Teilnehmer*innen am Besuch dieser Bildungseinrichtung war groß, war doch den meisten kein weiteres Beispiel in Europa bekannt. Rund 200 Schüler*innen, nicht nur, aber hauptsächlich mit Roma-Herkunft, besuchen diese wirklich außergewöhnliche Schule, die gleichzeitig ein Internat ist, da die Schüler*innen aus ganz Ungarn stammen. „Unser Ziel ist es, die jungen Menschen länger im Bildungssystem zu halten, als es sonst der Fall wäre, und sie durch ein ausgeprägtes Identitätsgefühl stark zu machen für ein Leben, in dem sie leider mit Diskriminierung konfrontiert werden“, erklärte der Schulleiter. Weitere Informationen (HUN): http://gandhigimi.hu

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