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Women of Minorities-Konferenz in Budapest fordert strukturelle Veränderungen für die gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten

Die Sicherstellung, dass Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten an öffentlichem und politischem Leben teilhaben und dieses mitgestalten können, ist kein optionaler Zusatz, sondern ein demokratisches und rechtliches Gebot. Zu diesem zentralen Ergebnis kam das dritte thematische Treffen des FUEN-Projekts Women of Minorities, das vom 1. bis 3. Dezember 2025 in Budapest stattfand. Gastgeberin war die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU), eröffnet wurde die Tagung von FUEN-Generalsekretärin Éva Pénzes. Zusammen kamen Vertreterinnen aus 18 Minderheitengemeinschaften aus 15 europäischen Staaten, Frauenorganisationen, Expertinnen sowie institutionelle Partner, darunter der Europarat und die Minority Rights Group Europe. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche strukturellen Bedingungen die politische Teilhabe von Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten ermöglichen oder behindern und welche Veränderungen notwendig sind.

Gleich zu Beginn setzte Anna Navarro Schlegel, Abgeordnete des Parlaments von Katalonien, mit einem Impuls zu Sichtbarkeit und Führung einen klaren Akzent. Sie rief Frauen aus nationalen Minderheiten dazu auf, ihre Ziele klar zu benennen, fokussiert zu bleiben und gezielt die Fähigkeiten aufzubauen, die sie in Zeiten von KI und schnellen gesellschaftlichen Veränderungen benötigen. Ihre Botschaft war eindeutig: Nichts Großes geschieht zufällig, und Veränderung braucht Frauen, die mit Klarheit und Zielstrebigkeit führen. Ihr Beitrag ermutigte die Teilnehmerinnen, Führung als etwas Lern- und Teilbares zu verstehen, nicht als Ausnahme. Damit gab sie den Rahmen für die anschließenden Diskussionen vor, wie individuelles Engagement in strukturelle Veränderungen übersetzt werden kann.

Darauf aufbauend richtete die Konferenz den Blick bewusst auf Systeme und Machtstrukturen statt auf individuelle Erfolgsgeschichten. Die Teilnehmerinnen waren sich einig, dass Unterrepräsentation keine Frage von Talent oder Ehrgeiz ist, sondern das Ergebnis von Patriarchat, Sexismus, Gewalt und männlich dominierten Parteikulturen, die Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten doppelt marginalisieren. Formale Rechte allein haben bislang nicht ausgereicht, um daran etwas zu ändern. Selbst dort, wo Gleichstellung und Nichtdiskriminierung gesetzlich verankert sind, bleiben Frauen aus nationalen Minderheiten in Parlamenten, Minderheitenselbstverwaltungen und beratenden Gremien weitgehend unsichtbar.

Gleichzeitig existieren auf europäischer Ebene bereits belastbare Standards, die eine konsequentere Umsetzung ermöglichen würden. In ihrem Grundsatzreferat zeigte Prof. Dr. Tove H. Malloy, Mitglied des Beratenden Ausschusses zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (FCNM), wie Geschlechterfragen zunehmend in das Monitoring der Minderheitenrechte einfließen. Sie betonte die Notwendigkeit geschlechterdifferenzierter Daten, gezielter Maßnahmen gegen Gewalt sowie eines gleichberechtigten Zugangs von Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Justiz. Beiträge aus dem Europarat unterstrichen, dass die neue Gleichstellungsstrategie 2024–2029 Intersektionalität und politische Teilhabe von Frauen ins Zentrum stellt. Zugleich erkennen die Istanbul-Konvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Gewalt gegen Frauen als geschlechtsbezogene Diskriminierung an, die Frauen unmittelbar daran hindert, öffentliche Rollen zu übernehmen. Für die Teilnehmerinnen in Budapest war klar: Die Verpflichtungen bestehen, die Lücke liegt in der Umsetzung.

Länderberichte zeigten, wie unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen und politische Strukturen zu sehr unterschiedlichen Realitäten für Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten führen. Dort, wo Minderheitenrechte anerkannt und institutionell verankert sind, etwa durch reservierte Mandate, Minderheitenräte oder starke Minderheitenparteien, gibt es zumindest Zugangswege zur Politik, auch wenn Geschlechteraspekte oft schwach bleiben. Wo Minderheiten keine Anerkennung erfahren oder offener Ablehnung ausgesetzt sind, sind Frauen aus diesen Gemeinschaften nahezu vollständig aus öffentlichen Institutionen ausgeschlossen. Ein übergreifendes Ergebnis war, dass allgemeine Geschlechterquoten nur selten mit dem Minderheitenstatus zusammengedacht werden. In vielen Ländern existieren Quoten auf dem Papier, führen aber nicht zu gezielter Förderung von Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten.

Als eines der wenigen positiven Gegenbeispiele wurde die ungarische Minderheitenpartei RMDSZ in Rumänien genannt. Sie hat interne Regeln zur Repräsentanz von Frauen eingeführt und gezielt in Frauenstrukturen und Qualifizierungsangebote investiert. Das zeigt, dass Frauen aus nationalen Minderheiten dort Verantwortung übernehmen, wo Regeln, Ressourcen und sichere politische Räume vorhanden sind.

Über alle Kontexte hinweg wurden ähnliche alltägliche Hürden benannt: unbezahlte Sorgearbeit und Zeitmangel, geringeres Selbstvertrauen, fehlende Mentoring-Strukturen, mangelnde Anerkennung ehrenamtlicher Gemeinschaftsarbeit sowie die Abwanderung junger Frauen aus Minderheitenregionen. Viele Teilnehmerinnen wiesen darauf hin, dass Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten im kulturellen Leben, im Bildungsbereich und in der Zivilgesellschaft sehr aktiv sind, dieses Engagement jedoch nicht automatisch in Positionen führt, in denen verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Jugendorganisationen und lokale Initiativen wurden als Ansatzpunkte für den Aufbau einer neuen Generation von Führungspersönlichkeiten vorgestellt, ihre Wirkung bleibt jedoch begrenzt, solange Partei- und Institutionsstrukturen sich nicht öffnen.

Zugleich zeigte die Konferenz, dass Frauen aus nationalen Minderheiten bereits heute daran arbeiten, diese Strukturen von innen heraus zu verändern. Organisationen wie MENŐK in Ungarn und die Frauenorganisation der RMDSZ in Rumänien stellten ihre langfristige Arbeit in den Bereichen Führungstraining, Mentoring, gemeinwesenorientierte Programme und Kampagnen gegen Gewalt vor. Ihre Erfahrungen belegen, dass starke Frauenorganisationen, unterstützt durch politischen Willen und ausreichende Ressourcen, konkrete Wirkung entfalten können: mehr Frauen in Kommunalparlamenten, mehr Frauen in Parteiführungen und rechtliche Reformen gegen Gewalt und Diskriminierung. Für viele Teilnehmerinnen bestätigten diese Beispiele, dass Veränderung möglich ist, aber strategische, langfristige Investitionen erfordert und nicht durch Einzelprojekte erreicht wird.

In einem abschließenden Workshop erarbeiteten die Teilnehmerinnen praktische Maßnahmen zur Stärkung der Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten in Politik und Öffentlichkeit. Einigkeit bestand darüber, dass die grundlegende Voraussetzung für jedes Engagement ist, dass Frauen sich sicher, geschützt und persönlich unabhängig fühlen, rechtlich, sozial und wirtschaftlich. Darüber hinaus wurden Instrumente benannt, die an unterschiedliche Kontexte angepasst werden können: Train-the-Trainer-Programme und strukturierte Kursnetzwerke, stärkere grenzüberschreitende Vernetzung von Frauenorganisationen aus Minderheiten, außerschulische Angebote für Jugendliche in Minderheitengemeinschaften, Outreach-Arbeit im ländlichen Raum, politische Cafés und Begegnungen mit Vorbildern sowie gezielte Schulungen zu öffentlichem Auftreten und Medienarbeit.

Digitalisierung und soziale Medien wurden als zentrales Konfliktfeld der kommenden Jahre beschrieben. Die Teilnehmerinnen äußerten Sorge über Online-Misogynie und Anti-Gender-Bewegungen, die Einstellungen prägen, auch unter jungen Menschen in Minderheitengemeinschaften. Zugleich wurde auf das Potenzial digitaler Werkzeuge für Sensibilisierung, Vernetzung und Bildung hingewiesen, sofern Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten über die nötigen Kompetenzen und Unterstützung verfügen. Eine frühe demokratische und gleichstellungspolitische Bildung für Mädchen aus nationalen Minderheiten, in Schulen und in der außerschulischen Bildungsarbeit, wurde als entscheidend für nachhaltige Teilhabe und Führung gesehen.

Eine thematische Exkursion zur Ausstellung „Heavy Fabric. Women – Traditional Costume – Life Stories“ im Ethnografischen Museum in Budapest ergänzte die inhaltlichen Debatten um eine kulturelle Dimension. Sie zeigte, wie sich Rollen und Identitäten von Frauen im Laufe der Zeit verändert haben und wie sie sich in materieller Kultur widerspiegeln. Über die drei Tage hinweg verband die Konferenz Beiträge europäischer Institutionen und Expertinnen mit konkreten Erfahrungen aus Minderheitengemeinschaften und führte Standards, Daten, politische Konzepte und Basisarbeit zusammen.

Für die FUEN und das Projekt Women of Minorities ist das Ergebnis der Konferenz zugleich Auftrag und Fahrplan. Die in Budapest gesammelten Analysen, Beispiele und Vorschläge werden als Referenz für künftige Aktivitäten dienen. Der nächste Schritt besteht darin, sie gemeinsam mit Mitgliedsorganisationen, Frauennetzwerken und institutionellen Partnern auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene in konkrete Maßnahmen zu überführen. Das Ziel ist klar: Frauen aus den Reihen nationaler Minderheiten sollen nicht nur im politischen und öffentlichen Leben präsent sein, sondern auf Augenhöhe Einfluss nehmen und die Zukunft ihrer Gemeinschaften mitgestalten können.

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