FUEN fordert die EU zum Handeln gegen systematische ethnisch begründete Landenteignungen in der Slowakei auf
12.12.2025Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) äußert große Besorgnis über ein zuletzt erneut auftretendes Muster von Landenteignungen in der Slowakei, die sich auf die ethnische oder familiäre Herkunft von Personen stützen und auf Nachkriegsgesetzgebung beruhen.
Diese Enteignungen gehen auf die sogenannten Beneš-Dekrete und deren Umsetzung durch Verordnungen des Slowakischen Nationalrates zurück – insbesondere auf die Verordnung Nr. 104/1945, die die Konfiskation landwirtschaftlicher Flächen von Personen deutscher oder ungarischer Volkszugehörigkeit anordnete.
Über Jahrzehnte galten diese Maßnahmen als historisch abgeschlossen. Jüngste rechtliche Entwicklungen zeigen jedoch, dass Enteignungsbescheide auf Grundlage dieser Regelungen erneut aktiviert und in heutigen Eigentumsverfahren angewandt werden. Viele dieser Nachkriegsenteignungen wurden formal nie vollständig vollzogen und daher nicht im Grundbuch eingetragen. Infolgedessen befanden sich die betroffenen Grundstücke über Jahrzehnte hinweg rechtmäßig im Besitz von Familien und wurden vererbt. Heute werden diese ungeklärten Fälle als Verwaltungsfehler neu eingestuft, wobei das Eigentum rückwirkend zugunsten des Staates eingetragen wird – häufig ohne vorherige Benachrichtigung oder Entschädigung.
Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle: Der Slowakische Bodenfonds prüft weiterhin Archivunterlagen nach nicht vollzogenen Nachkriegsenteignungen. Auskunftsanfragen der Ungarischen Allianz, einer FUEN-Mitgliedsorganisation in der Slowakei, zeigen, dass zwischen 2019 und 2025 mehr als 1.000 Hektar Land betroffen waren. Diese Maßnahmen treffen überproportional Personen mit ungarischer oder deutscher Herkunft, darunter slowakische Staatsangehörige ebenso wie andere EU-Bürgerinnen und EU-Bürger.
Mit großer Sorge stellt FUEN zudem fest, dass das slowakische Parlament kürzlich eine Änderung des Strafgesetzbuches verabschiedet hat, die eine strafrechtliche Verantwortung – einschließlich Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten – für Personen vorsieht, die öffentlich die Nachkriegsordnung „leugnen“. Dazu zählen auch die Verordnungen des Slowakischen Nationalrates, die die Grundlage der aktuellen Landenteignungspraxis bilden. Eine solche Gesetzgebung gefährdet die Transparenz und stellt eine ernsthafte Bedrohung der Meinungsfreiheit dar, da sie öffentliche Debatten behindert.
Die Anwendung ethnisch begründeter Enteignungsmaßnahmen aus der Nachkriegszeit ist mit den Grundsätzen der Gleichheit, der Nichtdiskriminierung und der Rechtssicherheit unvereinbar. Ihre rückwirkende Anwendung wirft erhebliche Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit heutigen europäischen Standards auf und droht, das Vertrauen in den europäischen Minderheitenschutz sowie in die Stabilität der Eigentumsverhältnisse zu untergraben.
FUEN fordert daher:
- Eine unverzügliche, unabhängige und umfassende Untersuchung durch EU-Institutionen zur aktuellen Anwendung der Nachkriegsverordnungen des Slowakischen Nationalrates, insbesondere der Verordnung Nr. 104/1945, in heutigen Eigentumsverfahren.
- Die Aussetzung aller Enteignungs- und Grundbucheintragungsverfahren, bei denen ethnische oder familiäre Kriterien eine entscheidende Rolle spielen. Historische Rechtsinstrumente, die nie formell abgeschlossen wurden, dürfen nicht auf heutige Eigentumsverhältnisse angewandt werden, da dies erhebliche Rechtsunsicherheit schafft.
- Eine stärkere Unterstützung durch zivilgesellschaftliche und menschenrechtliche Organisationen zur Dokumentation des Ausmaßes dieser Fälle, zur Unterstützung der Betroffenen und zur unabhängigen Beobachtung.
- Eine verstärkte mediale und öffentliche Aufmerksamkeit, die unerlässlich ist, um auf Situationen aufmerksam zu machen, in denen Eigentumsrechte auf Grundlage historischer, ethnisch begründeter Kriterien beeinträchtigt werden – eine Praxis, die mit demokratischen und menschenrechtlichen Standards unvereinbar ist.
FUEN steht in voller Solidarität mit allen Personen und Gemeinschaften, deren Land, Identität oder historische Rechte gefährdet sind, und ruft die europäischen Institutionen, die Zivilgesellschaft und die Medien zu raschem und entschlossenem Handeln auf.
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