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FUEN-Preisträgerin 2023: Renate Schnack – die mit den Minderheiten denkt

Da ist ein roter Faden, der sich reißfest und farbenfroh durch Renate Schnacks Leben zieht. „Die Idee der Gleichstellung und Chancengleichheit für alle Menschen – das war immer meine Motivation und tiefster Ansporn“, sagt die schleswig-holsteinische Politikerin, die im Rahmen des diesjährigen FUEN-Kongresses mit dem FUEN-Preis für außergewöhnlichen Einsatz und großes Engagement für autochthone, nationale Minderheiten und Sprachgruppen in Europa ausgezeichnet wurde. „Renate Schnack ist vor allem ein Vorbild, wenn es darum geht, Zielsetzungen und Strategien in der Minderheitenpolitik in die Tat umzusetzen. Wie sie es schafft? – Sie ist einfühlsam, kann gutzuhören und hat diplomatisches Geschick – und gibt nie auf!“, betonte Gösta Toft, FUEN-Vizepräsident und als Nordschleswiger langjähriger Wegbegleiter der Preisträgerin, in seiner Laudatio.

Dabei ist Renate Schnack eine Frau der Mehrheit, die einsprachig aufgewachsen ist. Allerdings hat sie schon als junges Mädchen, während ihrer Kindheit auf der Nordseeinsel Sylt, erkannt, in welcher Vielfalt sie lebt. Da waren neben Deutsch und Plattdeutsch immer auch Friesisch und Dänisch, da waren kulturelle Bräuche und Traditionen aus all diesen Kulturen. „Als Kind habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht“, sagt sie rückblickend, „Wir waren so wie wir waren – alle verschieden und trotzdem eine Gemeinschaft. Das ist mir irgendwann später erst richtig aufgegangen.“

Den Weg in die Politik fand die Nordfriesin über das Interesse am Geschehen im nahen Umfeld, in Kita, Schule und Gemeinde. Von der Gemeindevertretung führte sie der Weg sogar bis ins Amt der Präsidentin des Kreises Nordfriesland, 1994 als erste Frau in dieser Position. „Als Kreispräsidentin hatte ich oft die Gelegenheit, die kulturelle und sprachliche Vielfalt meiner Heimat herauszustellen“, erinnert sich Renate Schnack. Da war zum Beispiel eine Jubiläumsfeier, auf der ein Volkslied als Kanon in allen dort gesprochenen Sprachen angestimmt wurde – keine Frage, wer die Idee hatte. „Solche Gelegenheiten waren kleine Ausweise für unsere Minderheiten, die sie sichtbarer machten.“ Und diese Gelegenheiten versuchte die engagierte Politikerin immer wieder zu schaffen. Sie involvierte die Jugendorganisationen der Minderheiten, damit diese gleichberechtigt mitwirken konnten. Sie brachte die Minderheiten in Schleswig-Holstein auf die Landkarte und auf die Agenda, weil sie sie mitdachte und ihnen zu Rampenlicht verhalf.

So war ihre Berufung zur „Beauftragten des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein in Angelegenheiten nationaler Minderheiten und Volksgruppen, Grenzlandarbeit und Niederdeutsch“ im Jahr 2000 aus heutiger Sicht eine logische Konsequenz. Und dennoch ein, wie Renate Schnack es formuliert, „mutiger Schritt der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis, eine unbekannte ehrenamtliche Politikerin in so ein Amt zu setzen.“ Doch Simonis hatte ihre Qualitäten längst erkannt und wurde nicht enttäuscht. „Meine Außenministerin“, nannte sie Renate Schnack.

Renate Schnack und das Amt der Minderheitenbeauftragten – übrigens die erste in Deutschland – das war ein richtiger Volltreffer, auch dank der „großen Freiheiten und Möglichkeiten, die mir Heide Simonis gab“, betont sie. Es war kein Amt auf dem Papier, sondern eines mit tatsächlichem Wirken, das die Minderheiten, aber auch die Mehrheit mitnahm und vieles in Bewegung setzte. Da wurde das DialogForumNorden im Grenzland entwickelt, um die Minderheiten in einen fruchtbaren Austausch zu bringen, der aufgrund der Geschichte an der deutsch-dänischen Grenze keineswegs selbstverständlich war. Da wurden die Sinti und Roma auf die politische Tagesordnung gesetzt, die zuvor meist vergessen wurden. „Eine Gruppe, die kein Mitleid braucht, sondern Empathie“, sagt Renate Schnack.

Und mit dieser nötigen Empathie hat sie für und mit den Sinti und Roma in Schleswig-Holstein viel bewegt, zum Beispiel das Wohnprojekt „Maro Temm“, durch das viele Familien ein Zuhause gefunden haben, sowie das Konzept der Mediatoren, welche Sinti- und Roma-Familien begleiten, um den Kindern bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Später gelang es ihr sogar, dass die Sinti und Roma in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung aufgenommen wurden.

Hat sie so etwas wie ein Erfolgsrezept? „Reden, reden, reden, Dinge immer wieder vortragen, die Wiederholung ist so wichtig in der Politik. Schritte, die man gehen möchte, immer wieder erklären.“ So habe sich ihr Nachname bald zu einem Running Gag entwickelt. Aber Renate Schnack hat Humor, und konnte damit gut leben. Eine weitere Zutat ihres Erfolgsrezeptes mag sein, dass sie nie den Blick nach außen verloren hat. „Wir haben immer auch nach Europa geguckt, wie machen es andere? Da gab es viele gute und schlechte Beispiele, von denen wir in Schleswig-Holstein lernen konnten.“

Und schließlich habe es ihr oft auch geholfen, eben nicht „Minderheit“, sondern eine Frau der Mehrheit zu sein. „Meine Unabhängigkeit war wichtig, um Regierungen in Kiel, Berlin und Brüssel zu überzeugen“, sagt die 69-Jährige. All ihre Positionen hat sie aus diesem Grund auch bewusst ehrenamtlich ausgeübt.

Und was ist er eigentlich für Sie, der vielbeschworene Mehrwert der Minderheiten? „Eine innere Haltung, die man anderen Menschen gegenüber hat. Offen sein und nicht einsprachig denken. Dieselbe Sache aus verschiedenen Perspektiven sehen können“, antwortet Renate Schnack. Und fügt hinzu: „Ich habe es immer als großen Mehrwert und Gewinn empfunden, so nah mit Minderheiten zusammen zu sein.“ Sie sagt „zu sein“ – nicht: „zu arbeiten“. Denn ihre Arbeit war und ist ihre Passion und Herzensangelegenheit.

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