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Einblicke, Impulse und ein Koffer voller Ideen: Jahrestagung der AG Bildung in Rumänien ein großer Erfolg

Helle Aufregung im Klassenzimmer der 2a in der Allgemeinschule Nr. 2 im rumänischen Sibiu/Hermannstadt: Besucher aus allen Ecken Europas sind zu den jungen Schüler*innen gekommen, um sich ausgerechnet ihre Deutschstunde anzuschauen. Sie sind heute die Stars, werden beäugt beim Schreiben, Lesen und Sprechen, und haben auch gleich die Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse im Dialog mit den Gästen unter Beweis zu stellen. Diese Momente sind es, welche die Jahrestreffen unserer FUEN-Arbeitsgemeinschaft Bildung immer besonders eindrucksvoll und nachhaltig wirken lassen – ermöglichen die stets integrierten Fachbesuche in Bildungseinrichtungen doch spannende Praxiseinblicke, die kein Vortrag und keine Videodokumentation ersetzen kann. „Allein dafür hat sich das Kommen schon gelohnt“, waren sich die Teilnehmer*innen einig.

Vom 18. bis 21. April fand in Sibiu/Hermannstadt die fünfte Jahrestagung der AG Bildung mit 20 Expert*innen aus dem Bereich Minderheitenbildung aus zwölf Ländern Europas statt – von Elsässern aus Frankreich über Turkmescheten aus Russland bis hin zu Montenegrinern aus Albanien waren verschiedenste Nationalitäten vertreten. Gastgeber war unsere Mitgliedsorganisation „Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien“ (DFDR). Aufgrund seiner bewegten Geschichte und der wechselnden Zugehörigkeit zu Deutschland, Ungarn, Österreich und schließlich Rumänien trägt der Ort den Beinamen „Stadt der vielen nationalen Minderheiten“ – beste Voraussetzungen also, um Einblicke in das Bildungssystem zu erlangen.

Begrüßten die Gäste in Sibiu/Hermannstadt: Benjamin Józsa (Geschäftsführer Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien), Enikő Biró Laczikó (Staatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen), Daniel Alfreider (FUEN-Vizepräsident und Sprecher der AG Bildung), Zoltán Kallós (Staatssekretär im Bildungsministerium Rumänien) sowie Dr. Paul-Jürgen Porr (Vorsitzender Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien).

Zunächst stand die Theorie auf dem Programm: Wie ist die Situation der Minderheiten in Rumänien? Welche Rahmenbedingungen gelten für die Kitas und Schulen der Minderheiten? Ein Thema, das gerade auch im Land selbst eine gewisse Aktualität erfährt, da ein neues Bildungsgesetz in Arbeit ist. Daran beteiligt sind Enikő Biró Laczikó, Staatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen, sowie Bildungsstaatssekretär Zoltán Kallós. Ihren Aussagen nach soll das neue Gesetz die frühkindliche Bildung integrieren und somit Pädagogik in der Minderheitensprache von der Krippe bis zur Universität gewährleisten.

Monika Hay von der Schulkommission der deutschen Minderheit in Rumänien erläuterte die Rahmenbedingungen der deutschen Bildungseinrichtungen. „Die deutschsprachigen Schulen und Abteilungen genossen schon vor der Wende einen sehr guten Ruf. Sie sind weiterhin sehr begehrte Bildungseinrichtungen.“ Ein großes Problem sei der Lehrermangel – ein Thema, das die meisten Minderheitengemeinschaften gut kennen.  

Der besondere Schwerpunkt der diesjährigen Tagung lag auf dem Übergang von der Kita zur Grundschule, weshalb auch ein Fachvortrag aus der Wissenschaft nicht fehlen durfte. Liana Regina Iunesch, an der örtlichen Lucian Blaga Universität in der Lehrerausbildung mit deutscher Unterrichtssprache tätig, ging dabei besonders auf den Sprachtest ein, welcher dann zum Einsatz kommt, wenn die Anmeldezahlen die Kapazitäten der deutschen Schulen übersteigen. Da diese Schulen sehr begehrt sind, sei dies häufig der Fall. „Einige finden ihn nützlich, andere nicht kindgerecht und subjektiv“, erklärte die Forscherin. „Viele Kinder erleben viel Druck von den Eltern, die Sprache zu erlernen.“

In der anschließenden Diskussion und den Länderberichten der Teilnehmenden zeigte sich, dass der Übergang Kita-Schule ein Arbeitsfeld in vielen Minderheiten ist. Brücken zu bauen und einen besseren Austausch zu schaffen sei eine wichtige Voraussetzung, um für Kontinuität und Qualität zu sorgen. Was allerdings auch deutlich wurde: Die Spanne, wie Minderheiten im Bildungsbereich aufgestellt sind, reicht von 0 bis 100. Es gibt solche, die in ihren Ländern nicht einmal als Minderheit anerkannt sind und über keinerlei Bildungsangebote verfügen bis hin zu einer Minderheit wie der ladinischen, die über Konzepte der Alphabetisierung in gleich vier Sprachen verfügen.

Am zweiten Tag folgte die Praxis: Bei Besuchen in einer Kita und verschiedenen Grundschulen konnten die Teilnehmenden sich selbst ein Bild vom pädagogischen Alltag in Sibiu/Hermannstadt machen – nach mehreren Jahren der pandemiebedingten Einschränkungen war dies endlich wieder in vollem Umfang möglich, sehr zur Freude der Hospitant*innen, aber auch der Pädagog*innen in den Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt den Kindern selbst.

„Es hat mich gefreut, dass wir in diesem Jahr in Osteuropa zu Gast waren, wo Minderheiten gerade im Bildungsbereich oft mit ganz anderen Lebensrealitäten konfrontiert sind“, so das Resümee von FUEN-Vizepräsident Daniel Alfreider. „Ein guter Austausch gerade im so elementaren Bildungssektor macht uns stärker und ist ein wichtiger Baustein für den Spracherhalt.“

Für die Zukunft mangelt es der AG Bildung nicht an Themen: Fachkräftegewinnung, Immersionskonzepte, die Umsetzung von Lehrplänen in der Realität sowie die Perspektive von Kindern auf Schule und Lernen sind mögliche Ansätze. Desweiteren soll die Online-Plattform für Unterrichtsmaterial und -konzepte weiter befüllt und ein Pädagog*innenaustausch initiiert werden.

Einen herzlichen Dank an die Gastgeber vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien für die wunderbare Gastfreundschaft und professionelle Zusammenarbeit bei der Organisation der Jahrestagung – es war uns eine große Freude und Bereicherung. Unser Dank gilt ebenso dem Bundesministerium des Innern und für Heimat der Bundesrepublik Deutschland für die finanzielle Unterstützung.

Weitere Fotos der Tagung finden Sie in unserer Fotogalerie

Credit: László Mihály

 

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