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Minderheiten zwischen echtem Kulturtourismus und plumpem Marketing-Gag

Keine Minderheitenregion ohne Minderheitensprache; und keine Minderheitensprache ohne ihre Heimat, die Minderheitenregion. Sprache, Kultur und Region bedingen sich gegenseitig und halten sich so am Leben – das machte Ré Ó Laighléis (siehe Titelfoto)in seiner emotionalen Rede beim Forum der europäischen Minderheitenregionen in Galway, Irland, deutlich. Der irische Schriftsteller, der den Zuhörer*innen durch seinen irischsprachigen Vortrag eine herrliche Kostprobe seiner geliebten Muttersprache gab, ist versucht, die Situation realistisch und unverblümt zu beurteilen: „Unsere Sprache wird immer schwächer. Ohne neue Investitionen wird sie nicht überleben.“

Mit seinem Vortrag eröffnete er das erste Panel „Wirtschaft und Tourismus in Minderheitenregionen“, in welchem die Referentinnen und Referenten die ökonomische Perspektive von Minderheitensprachen und -kulturen beleuchteten.

Ré Ó Laighléis appellierte zwar, sich zum Zwecke einer besserer Sprachförderung auf die Suche nach Investoren zu machen, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen, indem man sie vom Mehrwert der einzigartigen Sprache und Kultur überzeugt, warnte aber gleichzeitig, dass jene dabei auch beschädigt werden können. Und: Zuerst einmal müssten die Sprecherinnen und Sprecher selbst in allen möglichen Situationen zeigen, wie stark sie an die – in diesem Fall irische – Sprache glauben und ihren Einsatz zelebrieren, bevor man die Wirtschaft davon überzeugen könne, Investitionsmut aufzubringen.

Eine große Chance für Minderheitenregionen ist der aufstrebende Kulturtourismus, wie  Greg Richards, Professor für Ortsgestaltung und Events an der Universität Breda, Niederlande, in seinem Onlinevortrag erläuterte. „Was Reisende heute wollen sind Erlebnisse, Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung, Atmosphäre, in andere Sprachen eintauchen und einzigartige Geschichten entdecken.“ Sprachen spielten im Tourismus aktuell eine große Rolle – aber nicht im Sinne von Sprachkursen vor Ort, sondern im Sinne des „Sprachenlernens im wahren Leben“, beim Eintauchen in eine andere Kultur. „Minderheitensprachen können einem eine neue Kultur eröffnen“, erklärte Richards. Der sogenannte Sprachentourismus nehme stetig zu. Diese Art von Reisenden wohnt nicht in Hotels, sondern bei Menschen aus der Region und taucht dadurch viel intensiver in Kultur und Sprache ein. Studien würden zeigen, dass diese Art von Tourismus Minderheitensprachen stärken kann, jedoch müssten auch die potentiellen Gefahren bedacht werden: eine Verdrängung durch die „größere“ Sprache sowie das Risiko, bloß auf ein Marketing-Gimmick reduziert zu werden.

Mit einer erschreckenden Grafik über den Rückgang der irischen Muttersprachler in Irland eröffnete Finbarr Bradley, emeritierter Professor für Finanzen an der Dublin City University, seinen anschließenden Vortrag – machte jedoch auch Hoffnung, indem er auf den allgemeinen Wandel der Wirtschaft hin zu einer nachhaltigeren verwies. So sei heute nicht mehr nur Wachstum und Steigerung von Produktion und Nachfrage entscheidend, sondern auch, etwas Bedeutsames zu tun und das Wohlbefinden aller im Blick zu haben. „Nicht der Kopf, sondern das Herz ist entscheidend“, so Bradley. Und das könnte Minderheitensprachen und -kulturen zu Gute kommen: Auch Reisende suchen nach dem Besonderen, nach dem Ursprünglichen, Sinnstiftenden. Zum Beispiel einem Pullover mit einem irischen Schriftzug, den ein kleines, entlegenes Start-up produziert – der aber von Touristen aufgrund dieser besonderen Verbindung zur Region gut nachgefragt wird. „Noch nicht alle Unternehmen denken so, aber viele sind auf dem Weg“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Das gelte für den Tourismussektor genauso. Es gehe darum, „echte Werte zu erzeugen“. „Heimat macht aus, wer wir sind – das kann man nicht in Zahlen ausdrücken, sondern nur mit dem Herzen.“

Die Vorträge wurden ergänzt durch lokale Fallbeispiele aus verschiedenen Minderheitenregionen:

  • Christoph Schmidt zeigte das Spannungsfeld auf, in dem sich die friesische Minderheit in Schleswig-Holstein, Deutschland, bewegt – alte Traditionen werden zunehmend als Tourismusmagnet genutzt, „Overtourism“ sorgt für zunehmende Konflikte vor allem auf den beliebten Nordsee-Inseln Föhr, Sylt und Amrum. Auf der anderen Seite sorgen die Reisenden und ihre Ausgaben für finanzielle Sicherheit.
  • Håkan Casares Berg, Observatorio da Cultura Galega, Consello da Cultura Galega, Spanien, gab Einblicke in die Tourismus-Statistik der spanischen Region Galizien, der dort sehr kulturorientiert ist. „Die Schönheit der Region und ihre Kultur herauszustellen lohnt sich finanziell“, erklärte er.

  • Òscar-Adrià Ibáñez, Valenica und die Balearen, Leiter der Abteilung für sprachliche Rechte und Unternehmen, Plataforma per la llengua, Spanien, sprach über die Möglichkeiten, die katalanische Sprache durch die katalanische Küche zu fördern, und über ihren Aufruf an Katalanischsprecher, andere Regionen in Europa zu besuchen, in denen Katalanisch gesprochen wird.
  • Romedi Arquint, Präsident des Verbandes Combienza, ehemaliger Präsident der FUEN und Lia Rumantscha in der Schweiz, sagte, dass viele Tourismusorganisationen die Minderheiten gerne als letzte Mohikaner sehen. In einer Situation, in der „wir von externen Kräften instrumentalisiert werden, müssen wir herausfinden, wie wir unsere Identität bewahren und einen Mehrwert für uns selbst schaffen können“, betonte er. Ein Weg sei die Kunst: Die Rätoromanen haben viele talentierte Liedermacher, die es wert sind, unterstützt zu werden, und die ältere Generation ist aufgerufen, dies zu tun.

  • Eugenia Natsoulidou, die die mazedonische Bildungs- und Kulturbewegung in Griechenland gegründet hat, sagte, dass die mazedonische Sprache immer stärker wird. Mazedonische Tänze und Lieder sind auf den Dorffesten allgegenwärtig und werden von den jungen Leuten gern gehört. Zu einem exzellenten Kulturbotschafter wurde auch Soße, die ein mazedonischer Koch berühmt gemacht hat und die nun in ganz Griechenland bekannt ist, berichtete sie.

  • Meirion Prys Jones, ehemaliger Geschäftsführer des walisischen Sprachkomitees, erklärte, dass eine Sprache nur überleben kann, wenn sie ein positives Image, einen hohen Status, Infrastruktur und Bildung hat – das Wichtigste sei jedoch, dass die Menschen die Sprache nicht nur lernen, sondern auch anwenden. Er stellte dar, wie die walisische Fußballnationalmannschaft die Sprache angenommen und begonnen hat, sie zu fördern.

Photo Credit: László Mihály/FUEN

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