Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten
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Jahrestagung der FUEN-Arbeitsgemeinschaft Non-Kin-State: Intensiver Austausch im Spreewald/Błota

Vor welchen Herausforderungen stehen jene europäischen Volksgruppen, die keinen Mutterstaat haben? Wie beeinflusst der wirtschaftliche Strukturwandel das Fortbestehen dieser Non-Kin-State-Minderheiten? Und welche Rolle kann der Tourismus für ihre zukünftige Entwicklung spielen? Diese Fragen standen im Zentrum der kürzlich zu Ende gegangenen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Non-Kin-State unter dem Dach der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN).

Das jährliche Treffen der Arbeitsgemeinschaft fand bereits zum achten Mal statt, diesmal im malerischen Lübbenau/Lubnjow, im Herzen des Spreewalds/Błota (Deutschland). Vom 23. bis zum 26. April 2024 versammelten sich etwa 40 Repräsentantinnen und Repräsentanten verschiedener Minderheitengemeinschaften aus zehn Ländern in Europa und Zentralasien, um sich über ihre spezifischen Anliegen auszutauschen. Auf die Beine gestellt wurde die Konferenz in Kooperation mit der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. / Domowina – Zwjazk Łužiskich Serbow z.t. / Domowina – Zwězk Łužyskich Serbow z.t.

Das Programm der Tagung umfasste dabei mehrere Arbeitssitzungen, Diskussionsrunden und Exkursionen, die sich intensiv mit der Kultur und den Traditionen der Sorben/Wenden, der Tourismusregion Spreewald/Błota sowie dem anhaltenden Strukturwandel in der Lausitz auseinandersetzten. Expertinnen und Experten aus den Reihen der Lausitzer Sorben sowie Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung von Lübbenau/Lubnjow, des Landkreises Oberspreewald-Lausitz und der lokalen Tourismusbranche gewährten in ihren Vorträgen vielschichtige Einblicke in aktuelle Entwicklungen und stellten innovative Projekte vor, die die Region derzeit prägen.

Geleitet wurde die viertägige Veranstaltung von dem FUEN-Vizepräsidenten Bahne Bahnsen, der zugleich als Sprecher der AG Non-Kin-State fungiert. Er unterstrich die essentielle Bedeutung der Kooperation zwischen den Non-Kin-State-Minderheiten als Schlüssel zum Erhalt der Vielfalt in Europa. „Außerdem war es für uns äußerst wichtig zu erfahren, wie sich die sorbische Minderheit erneuert und Ideen für die Zukunft entwickelt“, betont er.

Der Vorsitzende der Domowina, Dawid Statnik, griff diese Frage während der Tagung auf und erklärte, dass sich die sorbische Gemeinschaft aktuell im Wandel befinde. Dabei sprach er auch über die Anpassungen der Volksgruppe an die Herausforderungen der digitalen Ära.

Ein zentraler Aspekt der Konferenz war darüber hinaus das Thema „Tourismus als Chance für die Minderheit“. So berichteten Peter Bresan/Pětr Brězan vom Verein „Sorbischer Kulturtourismus“ und Robert Engel von der „Niedersorbischen Kulturakademie“ über kulturtouristische Initiativen, die den Strukturwandel in der Lausitz positiv beeinflusst hätten. Die Sorben spielten eine unverzichtbare Rolle in der touristischen Landschaft des Spreewalds/ Błota und sähen in der touristischen Entwicklung eine Chance zur Bewahrung ihrer Sprache, Kultur und Traditionen, so die beiden Referenten.

Demgegenüber warnten der Ladiner Pablo Palfrader und der Nordfriese Bahne Bahnsen in ihren Referaten vor den Gefahren, die ein sogenannter Übertourismus mit sich bringe. In diesem Sinne fragt Bahne Bahnsen: „Ist der Tourismus immer gut? Oder steuern wir gerade ohnmächtig auf einen Massentourismus in einigen Regionen Europas zu, durch den die alteingesessene Bevölkerung vollständig verdrängt wird?“ Dies sehe man zum Beispiel auf der Insel Sylt in Nordfriesland.

Derartige Problembereiche kamen auch in den Länderberichten zu Sprache, in deren Rahmen sich die angereisten Minderheitenvertreterinnen und -vertreter über aktuelle Themen in ihren jeweiligen Organisationen austauschten und die Pläne für das kommende Jahr diskutierten.

Überdies stand eine Paneldiskussion zum wirtschaftlichen Strukturwandel in der Lausitz – weg von der Förderung fossiler Brennstoffe, hin zur nachhaltigen Zukunftsregion – und den Beitrag der Sorben/Wenden bei diesem Prozess auf der Agenda. Dr. Fabian Jacobs vom Sorbischen Institut/Serbski institut referierte in diesem Zusammenhang zum Thema „Das Ende der Braunkohlenförderung in der Lausitz als Gelegenheitsfenster für die Sorben/Wenden“.

Im Kontext der Podiumsdiskussion wurden zudem die Projekte „UNESCO 5“ (Gemeinschaftsprojekt der Lausitzer UNESCO-Stätten), „ZARI“ (Netzwerk für regionale Identität und sorbische Sprache) und „Zorja“ (immersives Programm zum Erlernen der niedersorbischen Sprache) vorgestellt.

Last, but not least besuchte die Gruppe einen noch aktiven Braunkohletagebau in Welzow/Wjelcej sowie das Gelände eines ehemaligen Abbaugebiets, das nun als Naherholungsgebiet dient. Ein Austausch fand sodann im örtlichen Archäotechnischen Zentrum Welzow statt, einer Bildungseinrichtung, die durch Experimente, Restaurierungsarbeiten und Ausgrabungen die Geschichte und Kultur der Region vermittelt. Während des Gesprächs mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung wurde offenbar, dass das perspektivische Ende der Braunkohleförderung in der Region für die dortigen Ortschaften auch Negatives nach sich zieht – zum Beispiel den Wegfall von Arbeitsplätzen und eine damit einhergehende Abwanderung vor allem junger Menschen. Zudem komme vom Bund und dem Bundesland Brandenburg nur wenig Unterstützung, um den Strukturwandel adäquat zu managen. 

„Der Besuch in Welzow/Wjelcej war sicherlich ein Highlight der Tagung“, findet Bahne Bahnsen. „Wir konnten einen lebhaften Eindruck davon gewinnen, wie umfangreich der Braunkohletagebau hier war und immer noch ist.“ Zufrieden ist der AG-Sprecher aber nicht nur mit diesem Programmpunkt, sondern mit dem Verlauf und den Inhalten der gesamten Tagung. Er freut sich schon auf die nächste Zusammenkunft in einem Jahr.

 

Fotos: Kornél Szilágyi

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Hintergrund: Die Arbeitsgemeinschaft Non-Kin-State in der FUEN

Die Non-Kin-State-Arbeitsgemeinschaft wurde 2017 von der FUEN ins Leben gerufen, um Minderheiten ohne Mutterstaat die Möglichkeit zu geben, ihre spezifischen Anliegen und Herausforderungen zu diskutieren, Lösungen zu finden und gemeinsame Strategien für den Erhalt ihrer kleinen Sprachen und Kulturen zu entwickeln. Aktuell gehören ihr 40 Organisationen aus 17 verschiedenen Ländern an.

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