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Interview: Christina Gestrin über digitale Herausforderungen und Chancen für Schwedisch in Finnland

Christina Gestrin, Generalsekretärin des Folktinget, der Schwedischen Versammlung Finnlands, und ehemalige finnische Parlamentsabgeordnete, setzt sich seit Langem für die Rechte der schwedischsprachigen Bevölkerung Finnlands ein. In ihrer Rolle arbeitet Gestrin daran, sicherzustellen, dass digitale Dienstleistungen und Werkzeuge des öffentlichen Sektors inklusiv und für beide großen Sprachgruppen Finnlands gleichermaßen umfassend sind. Obwohl Schwedisch eine der beiden Amtssprachen des Landes ist, wird es im digitalen Bereich oft übersehen. In diesem Interview beleuchtet Gestrin, die auch auf dem kommenden 8. Forum der Europäischen Minderheitenregionen (26.–27. November 2024 in San Sebastián/Donostia, Baskenland) sprechen wird, die Risiken und Chancen, die die Digitalisierung für kleinere Sprachen mit sich bringt, und skizziert notwendige Schritte zur Förderung der Nachhaltigkeit von Minderheitensprachen im digitalen Zeitalter.

Christina Gestrin

 

Könnten Sie kurz Ihre Rolle im Folktinget und dessen Hauptziele zur Unterstützung der Sprachrechte beschreiben?

Ich bin Generalsekretärin des Folktinget, der Schwedischen Versammlung Finnlands. Unsere Aufgabe ist es, die Rechte und Interessen der schwedischsprachigen Bevölkerung in Finnland zu schützen und zu fördern. Das Folktinget arbeitet überparteilich; alle im Parlament vertretenen Parteien, die schwedischsprachige Aktivitäten durchführen, sind in der Organisation aktiv. Darüber hinaus teilt das Folktinget Best Practices und fördert die Zweisprachigkeit in Finnland. Wir erstellen regelmäßig Berichte über den Status der schwedischen Sprache in Finnland, wobei wir die Umsetzung der Konventionen des Europarates zu Sprachen und Minderheiten überwachen.

 

Sie haben an einer Studie von Markus Söderman zur digitalen Landschaft in Finnland mitgearbeitet. Könnten Sie einige der wichtigsten Ergebnisse dieser Studie teilen, insbesondere im Hinblick auf die Risiken und Chancen, die Digitalisierung und KI für kleinere Sprachen bieten?

Die Studie untersucht die Websites privater Unternehmen und öffentlicher Kommunen und wie gut diese das Schwedische – die kleinere der beiden Amtssprachen Finnlands – in ihrem Webdesign berücksichtigen. Beim Erstellen zweisprachiger Websites ist es wichtig, die Bedürfnisse beider Sprachgruppen von Anfang an einzubeziehen, um sicherzustellen, dass die Seiten gleichermaßen umfassend, benutzerfreundlich und zuverlässig sind. Kommunen müssen beim Entwickeln von Websites und digitalen Dienstleistungen darauf achten, dass Sprachsymbole leicht auffindbar sind und der Wechsel zwischen Finnisch und Schwedisch einfach ist.

Die Studie zeigte sowohl erfolgreiche als auch weniger gelungene Beispiele für zweisprachige Webseiten. Während private Unternehmen selbst entscheiden können, ob sie sowohl finnisch- als auch schwedischsprachige Nutzer ansprechen möchten, sind Kommunen gesetzlich verpflichtet, ihre Dienstleistungen und Informationen in beiden Amtssprachen anzubieten. Dennoch werden digitale Tools und Websites häufig auf die finnischsprachige Bevölkerung ausgerichtet, wobei schwedische Übersetzungen später bereitgestellt werden. Zudem ist die Top-Level-Domain (TLD) oft auf Finnisch, selbst wenn eine Kommune offiziell zweisprachig ist.

 

Welche spezifischen Herausforderungen haben Sie bei der digitalen Inklusion für schwedischsprachige Menschen in Finnland beobachtet?

Kommunale und staatliche Organisationen stellen auf ihren Websites oft weniger umfassende Informationen in Schwedisch bereit als in Finnisch. Daher nutzen schwedischsprachige Personen in Finnland digitale Dienstleistungen seltener, da sie den schwedischsprachigen Seiten nicht immer als zuverlässig und präzise empfinden. Außerdem ist das Design dieser Websites oft so gestaltet, dass es schwierig ist, die schwedischsprachigen Unterseiten zu finden.

 

Wie können Digitalisierung und KI die Sichtbarkeit und Rechte von Minderheitensprachen Ihrer Meinung nach stärken?

Technologien, die Minderheitensprachen mithilfe von KI unterstützen, befinden sich noch in einer frühen Entwicklungsphase. Projekte, die KI für schnelle Übersetzungen und Transkriptionen zu und von Minderheitensprachen nutzen, gibt es bereits, aber ihre Entwicklung ist kostspielig und erfordert Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor. Die Korpora, die zur Schulung dieser KI-Tools verwendet werden, müssen umfangreiches Material in der Minderheitensprache enthalten und auch Dialekte sowie andere Variationen berücksichtigen. Es geht also um die Finanzierung und Umsetzung von politischen Maßnahmen, die KI-Werkzeuge für Minderheitensprachen unterstützen. Derzeit wird KI vor allem für weit verbreitete Sprachen eingesetzt.

Ein Beispiel: KI-Technologie könnte eine Brücke zwischen schwedischsprachigen medizinischen Fachkräften und Patienten schlagen. Dafür müssten jedoch detaillierte Daten über die Fachkenntnisse, Sprachfähigkeiten der Fachkräfte und die sprachlichen Bedürfnisse der Patienten gesammelt werden. Zudem ist es entscheidend, dass bei der Beschaffung von Kundenservice-Programmen des öffentlichen Sektors die sprachlichen Rechte berücksichtigt und in die Ausschreibungskriterien aufgenommen werden.

 

Welche wesentlichen Schritte sind notwendig, um die Nachhaltigkeit von Minderheitensprachen im digitalen Zeitalter zu sichern?

Wichtige Schritte umfassen:

  • Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Sektor, Zivilgesellschaft und Privatsektor;
  • Eine Politik, die soziologische, technologische und sprachliche Rechte berücksichtigt;
  • Finanzierung von Forschung und Entwicklung von KI-Technologien und -Tools für Minderheitensprachen;
  • Gesetzliche Vorschriften, die sicherstellen, dass digitale Dienstleistungen zeitgleich in Minderheitensprachen wie in Mehrheitssprachen angeboten werden. Digitale Dienste müssen in beiden Sprachen gleichermaßen zuverlässig und umfassend sein.

Zudem ist es wichtig anzuerkennen, dass es immer Menschen geben wird, die digitale Dienstleistungen nicht nutzen können. Der Zugang zu essenziellen Dienstleistungen muss für alle sichergestellt werden, unabhängig davon, ob sie digitale Plattformen nutzen können oder nicht.

Weiterführende Informationen:

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