Die Februar-Ausgabe der Konferenz "Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa" widmete sich den Ländern Österreich, Italien und der Tschechischen Republik
01.03.2021Am 25. Februar 2021 setzten die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen ihr im Oktober 2020 gestartetes Online-Konferenzformat "Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa" fort. Der Fokus der für 2021 als Reihe konzipierten Fachtagungen lag diesmal auf Österreich, Italien und der Tschechischen Republik. In zehnminütigen Referaten schilderten Expertinnen und Experten den rechtlichen Rahmen in den jeweiligen Ländern sowie praktische Erfahrungen mit dessen Umsetzung. In anschließenden Diskussionen blieb zudem Raum für Nachfragen und Konkretisierungen.
Zum Auftakt der Veranstaltung umriss Loránt Vincze, MdEP und Präsident der FUEN, in seinem Grußwort die Notwendigkeit, ein übergreifendes Bild der Minderheitenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa zu zeigen. "Während sich in West- und Südeuropa die Situation der Minderheiten in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich verändert hat, ist dies in Mittel- und Osteuropa ein aktuelles Thema. Gerade hier sind die Minderheiten sehr engagiert, ihre Rechte einzufordern, brauchen aber auch Unterstützung dabei. Deshalb konzentriert sich die Konferenz auf diese Länder. Aber es gibt nicht nur Probleme, sondern auch Erfolgsbeispiele in diesem Teil Europas, wie die heutigen Vorträge zeigen werden" - so der FUEN Präsident.
Reinfried Vogler, Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung, betonte anschließend, dass Minderheitenrechte ein weltweit aktuelles Thema sind. Viele Konflikte entstünden aus dem Gefühl der Benachteiligung heraus. „Wer Frieden will, muss Gerechtigkeit schaffen“, zitierte Vogler den UN-Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten, Dr. Fernand de Varennes.
Die Rolle von Minderheiten als Brückenbauer zwischen Nationen und Gesellschaften müsse gestärkt werden, deshalb sei es wichtig, den Dialog fortzusetzen und bereits bestehende Schutzmechanismen in Europa auszubauen, sagte Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Er begrüßte die Idee der Konferenz und beglückwünschte die Organisatoren für die Flexibilität, die sie trotz der durch die Coronavirus-Pandemie entstandenen sehr schwierigen Situation gezeigt haben. "Minderheiten neigen dazu, die besonderen Opfer von Corona zu werden, und das müssen wir bekämpfen", fügte er hinzu. Stephan Mayer beglückwünschte und bedankte sich bei der FUEN für die großartige Arbeit und die Erfolge, die sie mit der MinoritySafePack Initiative erreicht haben und äußerte auch seine Enttäuschung über die Art und Weise, mit der die Initiative von der Europäischen Kommission abgelehnt wurde.
Aus juristischer Sicht sei Minderheitenschutz gleichzeitig positive Diskriminierung, stellte Prof. Dr. Dr. hc. mult. Gilbert H. Gornig fest. Nur durch die gesteigerte Unterstützung unterrepräsentierter Volksgruppen sei es möglich, ihnen eine Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Für die Gesellschaft insgesamt sei dies jedoch eine Investition in die eigene Zukunft, da so auch Sezessionsbestrebungen verhindert werden könnten. Danach übernahm Sergiu Constantin, Senior Researcher am Institut für Minderheitenrechte des Eurac Research, die Moderation der Länderberichte.
Prof. Dr. Peter Hilpold von der Universität Innsbruck erläuterte die rechtliche Lage in Österreich. Obwohl man heute das Land als Vorbild in Sachen Minderheitenschutz betrachte, blieben noch einige Wünsche der betroffenen Volksgruppen unerfüllt, stellte er fest. Auch wichen die Regelungen in den unterschiedlichen Bundesländern gerade bei den Minderheitenschulgesetzen voneinander ab. Mehr Aufmerksamkeit müsse man auch der Minderheitenmedien-Förderung schenken.
Auch die Kärntener Nationalratsabgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer widmete sich in ihrem Beitrag unter anderem dem föderalistischen Aspekt des Minderheitenschutzes in Österreich. Man müsse überall eine Umwelt schaffen, in der Volksgruppen ihre Sprachen im Alltag gebrauchen könnten. Ein aktives Sprachumfeld fange dabei schon in der frühkindlichen Erziehung an. „Es fehlt an Wertschätzung für Mehrsprachigkeit“, sagte sie. Darum sollte der Anspruch auf zweisprachige Bildung ab dem Kindergarten festgeschrieben werden.
Über die rechtliche Situation in Italien referierte Dr. Davide Zaffi vom Südtiroler Volksgruppeninstitut. Bei den besonders geschützten Minderheitensprachen gebe es deutliche Unterschiede. Zwar seien Regelungen zum regionalen Schulwesen und zum Zugang zu Medien in Südtirol, Friaul-Julisch Venetien und dem Aostatal geschaffen worden, gerade die französische Minderheit im Westen des Landes nehme diese aber immer weniger in Anspruch. Um weitere Fortschritte zu erreichen, müssen sich die Volksgruppen im Land untereinander koordinieren und miteinander und dem Staat im Gespräch bleiben.
Die praktische Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen beleuchtete Daniel Alfreider, FUEN Vizepräsident und stellvertretender Landeshauptmann der Autonomen Region Bolzano. Gerade in Südtirol habe man lange um den Autonomiestatus ringen müssen. Man verstehe auch darum die Bedeutung des Minderheitenschutzes als Überwindung der inneren Einkapselung und Streben nach Gleichberechtigung. Dabei habe sich in den letzten sieben Jahren in Südtirol viel verbessert, man benötige jedoch vor allem finanzielle Sicherheit, um Zukunftschancen garantieren zu können. Darum könne man sich auf dem Erreichten auch nicht ausruhen, sondern müsse immer weiter voran gehen, auch bei den eigenen Medien.
Dr. Hanna Vasilevich, Vorstandsmitglied des International CentreforEthnicandLinguisticDiversity Studies in Prag und Dozentin an der Europa-Universität Flensburg, gab einen Einblick in die Rahmenbedingungen der Minderheiten in Tschechien. Die tschechische Verfassung und die Grundrechtecharta seien hier die Grundpfeiler des Volksgruppenschutzes für die 14 anerkannten nationalen Minderheiten, die auch im Minderheitenbeirat der Regierung ihre Belange vertreten. Dabei sei besonders die Anerkennung der vietnamesischen und der belarussischen Minderheit eine interessante Entwicklung, da beide Gruppen erst seit einigen Jahrzehnten in größerer Zahl in Tschechien ansässig seien.
Wie sich die Situation in Tschechien aus Sicht der Minderheiten darstellt, erläuterte Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik und stellvertretender Vorsitzender des Minderheitenbeirates der Regierung. Zwar seien theoretisch die Bedingungen geschaffen worden, um staatlich gefördert Minderheitenrechte wahrnehmen zu können, die praktische Umsetzung stoße jedoch an Grenzen. Vieles leite sich von freiwilligen Angaben zur Nationalität bei der Volkszählung ab. Viele Einwohner Tschechien machten dabei jedoch lieber gar keine Angaben. Die deutsche Minderheit strebe nun vor allem an, einen ähnlich hohen Schutz ihrer Minderheitensprache zu erlangen wie ihn bereits die polnische und slowakische Minderheit im Land erhalten.
Abschließend stellte Professor Gornig fest, dass die Minderheitensituation in Mitteleuropa durchaus in Bewegung ist und durch dieses Tagungsformat viele neue Erkenntnisse zu Tage gefördert werden. Die Online-Konferenzreihe „Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa“ wird am 25. März fortgesetzt mit dem Länderfokus Ungarn, Slowakei und Kroatien.
Die Aufzeichnung der Konferenz wird auf den Youtube-Kanälen der FUEN ( https://bit.ly/3ky0dZl ) und der Kulturstiftung ( https://bit.ly/kulturstiftungvideo) abrufbar sein.
Weitere Informationen zu den Experten und zum Konferenzprogramm finden Sie auf: https://minorityconf.org/
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