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Minderheiten aus dem Westbalkan orientieren sich an Schleswig-Holstein

Viele gute Ideen, wie die Länder des Westbalkans von Schleswig-Holsteins Minderheitenpolitik lernen können: Das ist das Ergebnis der Reise einer zwanzigköpfigen Delegation mit Vertretern der Minderheiten aus Ländern des Westbalkans, die vom 30. Oktober bis 4. November  2016 stattgefunden hat. Organisiert wurde sie von der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN). „Das schleswig-holsteinische Modell funktioniert bereits über viele Jahre hinweg. Die Kommunikation mit den Minderheiten geschieht hier auf Augenhöhe“, so Renate Schnack, Minderheitenbeauftragte des Ministerpräsidenten Torsten Albig, bei einem Besuch der Delegation in der Kieler Staatskanzlei, „Man kennt sich untereinander. Wir entscheiden gemeinsam.“ Und ein Miteinander in dieser Form kennen die Minderheiten-Vertreter in ihren Ländern Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Serbien und Mazedonien nicht.

Schleswig-Holstein gilt als moderne Region. In der deutsch-dänischen Grenzregion leben vier Minderheiten mit der Mehrheitsbevölkerung friedlich zusammen: Dänische Minderheit, Friesische Volksgruppe, Sinti und Roma sowie die deutsche Minderheit in Dänemark. Swetlana Krätzschmar, Stadtpräsidentin von Flensburg, sagte beim Abschlussabend der Reise: „Ein zentraler Baustein für erfolgreichen Minderheitenschutz liegt in staatlicher bzw. politischer Hand. Notwendig ist die Gleichstellung und Nicht-Diskriminierung als Grundwerte gesetzlich zu verankern. Ziel ist ein gerechter Zugang zu staatlichen Dienst-und Sozialleistungen.“

Die Reise ist Teil eines Projekts für den Westbalkan, für das sich auf Initiative der Staatskanzlei Schleswig-Holstein, FUEN und ECMI mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erfolgreich um eine Förderung im Rahmen des neuen Bund-Länder-Pilotprogramms „Neue Formate der Zusammenarbeit in der Technischen Zusammenarbeit“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beworben haben. Weitere Projektmittel stellt das Land Schleswig-Holstein zur Verfügung.

Zu den teilnehmenden Minderheiten im Westbalkan gehören Roma und Sinti sowie Gruppen albanischer Herkunft wie „Ashkali“ und „Ägypter“. Deren Vertreter diskutierten in der Kieler Staatskanzlei mit Claudia von Dohlen vom Innenministerium über die Integrationsschwierigkeiten von Roma, der Minderheitengruppe, die aus Deutschland in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Sie berichteten, dass die Rückkehrer ihre Landessprache nicht mehr beherrschen, kein Zuhause haben und es Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Zeugnissen gibt.

Vor allem Roma sind im Westbalkan häufig von ökonomischer Diskriminierung betroffen. Der Zugang zu kommunalen Dienstleistungen, Infrastruktur, Bildung oder dem Arbeitsmarkt fehlt weitestgehend. In Serbien arbeiten beispielsweise nur 0,02 Prozent der Roma in öffentlichen Einrichtungen, obwohl eine Quote von 10 Prozent festgelegt wurde. Häufig leben Minderheiten an der Armutsgrenze und in sehr schlechten Wohnverhältnissen.

„Hunger muss immer bekämpft werden“, sagt Matthäus Weiß, Landesvorsitzender vom Verband deutscher Sinti und Roma e. V.. Er kennt die Probleme der in Deutschland lebenden Minderheit. Seit über 20 Jahren setzt er sich für die etwa 6.000 in Schleswig-Holstein lebenden Sinti und Roma ein. Immer häufiger kommen auch Menschen aus Osteuropa zu ihm: „Wir sind hier im Norden eine starke Minderheitengemeinschaft und arbeiten zusammen mit Behörden und nicht staatlichen Organisationen. Wir haben schon viel in Deutschland geschafft. Aber Probleme gibt es noch immer. Die Berichte von Zwangsprostitution und -Sterilisation sowie scharfer Diskriminierung in Osteuropa machen mich betroffen. Diesen Menschen muss geholfen werden. “Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist der Schlüssel für eine Integration der Sinti und Roma in die Gesellschaft. Das seit 2007 in Kiel bestehende Wohnprojekt Maro Temm beweist, wie eine solche Integration funktionieren kann. Behörden und Sinti arbeiten hier Hand in Hand.

Am Ende der Reise gibt es viele gute Ideen wie der Westbalkan von Schleswig-Holsteins Minderheitenpolitik lernen und teilweise Lösungen übernehmen kann. Und das familiäre Miteinander der FUEN kam gut an: „Die FUEN ist eine sehr starke Interessensvertretung.“, so Boza Javonivic, Roma aus Serbien. In Tuzla (Bosnien und Herzegowina) träumt man von einem Haus der Minderheiten wie in Flensburg. Und davon, dass Lehrer – wie in Schleswig-Holstein – zweisprachig unterrichten und Romanes-Kindergärten entstehen können.

„Wir sollten die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen (BKE) für den Westbalkan verabschieden!“ schlägt beispielsweise der Mazedonische Vertreter Ahmed Jasharovski vor. In den Erklärungen wurden 1955 das Zusammenleben und die Integration an der deutsch-dänischen Grenze geregelt (http://www.geschichte-s-h.de/bonn-kopenhagener-erklaerungen/). „Gesetze sind wichtig. Aber alle Gesetze nützen nichts, wenn wir die Anerkennung nicht haben.“

Die Worte vom damaligen dänischen Ministerpräsidenten Hans Christian Svane Hansen aus dem Jahr 1955, haben auch heute noch Gewicht. Eine Einführung der BKE könnte im Westbalkan der Start zum Umdenken und in ein besseres Leben für die dort lebenden Minderheiten sein.

Über die FUEN

Die FUEN (Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten) vertritt die Interessen der europäischen Minderheiten auf regionaler, nationaler und insbesondere auf europäischer Ebene. Mit über 90 Mitgliedsorganisationen in 32 europäischen Ländern ist sie der größte Dachverband der autochthonen, nationalen Volksgruppen in Europa. Die FUEN setzt sich für den Erhalt und die Förderung der Identität, Sprache, Kultur, Rechte und Einzigartigkeit der europäischen Minderheiten ein. Sie ist ihre Sprecherin bei den Internationalen Organisationen, insbesondere bei der Europäischen Union und dem Europarat sowie bei der UNO und der OSZE. Gegründet wurde die FUEN 1949 in Paris, heute hat sie drei Standorte: in Flensburg, Berlin und Brüssel. Weitere Infos: www.fuen.org. Ansprechpartner: Susann Schenk, E-Mail: info@fuen.org, Tel.: 0461/128 55.

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