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„Ich bin stolz darauf, ein Sinto zu sein“ – Film über Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland feiert Premiere im Minderheiten-Kompetenz-Netzwerk

Da ist Matthäus Weiß, Sinti, vor seinem Haus auf dem Land in Schleswig-Holstein. Er spricht über seine Kindheit. In die Schule gegangen sei er nie. Zu viel Angst hätten seine Eltern gehabt, dass ihm das gleiche widerfährt wie einst ihnen: Von der Schulbank ins Konzentrationslager verschleppt zu werden. Ein Trauma, das Generationen prägt. Doch er sagt auch: „Ich bin stolz darauf, ein Sinto zu sein.“

Foto: Screenshot

Und da ist seine Enkeltochter, Lucia Weiß, die von ihrer schönen Kindheit erzählt, von einem starken Rückhalt in der Familie, von Bildungschancen und Respekt. Das sind Szenen, die das Publikum bei der Filmpremiere am Montagabend in Sankelmark bei Flensburg beeindrucken. „Das wäre vor zehn Jahren so nicht denkbar gewesen“, sagt Jan Diedrichsen, Repräsentant des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Brüssel, bei der anschließenden Podiumsdiskussion. „Es ist toll, dieses Selbstbewusstsein und die Offenheit der Sinti und Roma zu sehen.“

Der Film „Think across borders”, den das Minderheiten-Kompetenz-Netzwerk entwickelt hat, porträtiert einige Angehörige der vier nationalen Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland – die deutschen Sinti und Roma, die Nordfriesen, die deutsche Minderheit in Nordschleswig und die dänische Minderheit in Südschleswig. Er gibt einen Einblick darin, was die Identität und Kultur der Minderheiten in dieser ganz besonderen Region ausmacht, die immer wieder als Vorzeige-Modell im weltweiten Kontext gilt.

„Zuhause ist da, wo die deutsche und die dänische Grenze zusammenfließen, ich die Sprachen mischen kann und trotzdem verstanden werde“, sagt im Film Wienke Reimer aus der dänischen Minderheit in Deutschland. Und: „Teil einer Minderheit zu sein bedeutet auch, Verantwortung dafür, dass wir in einer vielfältigen Gesellschaft leben.“

Bei der Podiumsdiskussion im Anschluss teilten Prof. Dr. Jørgen Kühl, Minderheiten-Forscher und Honorarprofessor an der Europa-Universität Flensburg, Prof. Dr. Ruth Leiserowitz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts Warschau sowie Jan Diedrichsen ihre Perspektiven auf das Zusammenleben im deutsch-dänischen Grenzland.

„Wir schulden dem Fall der Mauer unglaublich viel – danach bekamen Minderheitenfragen eine internationale Relevanz“, sagte Jørgen Kühl. Plötzlich seien die Busse aus aller Herren Länder gekommen, um Schulen und andere Institutionen nördlich und südlich der deutsch-dänischen Grenze zu besichtigen. So sei der Begriff „Schleswiger Modell“ entstanden und über die nächsten Jahrzehnte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung geworden.

Die Historikerin Ruth Leiserowitz machte deutlich, dass es Minderheiten erstmal möglich sein muss, sich zu organisieren und zu artikulieren. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs habe für diesen Prozess einigen Minderheiten im Ostblock das Grenzland als „Leuchtturm“ gedient. „Die Staaten haben sich damals auf gewisse Minderheitenrechte eingelassen, weil sie die EU-Beitrittskriterien erfüllen wollten.“ Aber nicht immer haben sie dieses Niveau fortwährend gehalten. So übte sie beispielsweise Kritik an der Situation in Polen, wo der deutschen Minderheiten jüngst das Budget für den Deutschunterricht gekürzt wurde.

Jan Diedrichsen warnte davor, das deutsch-dänische Modell als die eine Lösung zu sehen. „Wir können lediglich Werkzeuge anbieten und Menschen zusammenbringen“, stellte er klar. Gleichzeitig kritisierte er mit Blick auf die europäische Minderheitenpolitik „zu viele Lippenbekenntnisse“. „Wenn es hart auf hart kommt, dann siegt die Idee des Nationalstaats“, so sein Eindruck. In Bezug auf die von der Europäischen Kommission abgewiesene Minority Safe Pack Initiative sieht er die Regionen Europas als wichtige Akteure, um weiteren politischen Druck auszuüben.

Titelfoto: (v.l.n.r.) Jan Diedrichsen, Prof. Dr. Ruth Leiserowitz, Prof. Dr. Jørgen Kühl (Credit: FUEN)

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