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Die Zukunft der FUEN: Welchen Kurs verfolgen wir in den nächsten 75 Jahren?

Nachdem am ersten Tag des 68. FUEN-Kongresses in Husum/Hüsem (Deutschland) die 75-jährige Historie der FUEN und die Grundlagen ihrer Arbeit im Mittelpunkt standen, wurde heute der Blick in die Zukunft gerichtet: Wie geht es weiter mit den Minderheitenrechten in der Europäischen Union? Und wo möchten wir im Jahr 2099 stehen? Dies waren nur zwei der zentralen Fragen, die die 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jubiläumskongresses am Vormittag des 20. September diskutierten.

Den Einstieg in den Austausch lieferte Heinrich Bahnsen, der Vorsitzende des Friesenrates Sektion Nord, der stilecht im Nordfraschlönj-Trikot über die wirtschaftliche Kraft Nordfrieslands sprach – eine Region, die durch ihre innovativen Ansätze und ihre starken Wirtschaftszweige, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, beeindrucke. Die Windparks und weiteren nachhaltigen Energieträger in der Region spielten eine entscheidende Rolle bei der Versorgung mit grüner Energie und stärkten so die wirtschaftliche Position Nordfrieslands, erklärte Bahnsen.

Johannes Callsen, Beauftragter für Minderheiten des Bundeslandes Schleswig-Holstein, warb in seiner Ansprache für eine weitere intensive Zusammenarbeit von Minderheiten und Mehrheiten. „Über die vergangenen Jahrzehnte wurden in Schleswig-Holstein gemeinsam von Parlament, Regierung und Selbstorganisationen, von Mehrheit und Minderheiten, zahlreiche Instrumente entwickelt. So sind Strukturen und Vertrauen gewachsen, die ein stabiles Miteinander auch in Zukunft möglich machen“, sagte er.

Es bleibe sein Ziel als Minderheitenbeauftragter und das Ziel der Landesregierung, auf der Basis ebenjenes stabilen und erfolgreichen Miteinanders weiter zu arbeiten: „Die gleichberechtigte Teilhabe aller Gruppen am Zusammenleben in Schleswig-Holstein ist und bleibt unser gemeinsames Anliegen. Und die FUEN ist dafür auch für uns ein wichtiger europäischer Partner – die FUEN ist für mich eine gelebte Gemeinschaft“, schloss Callsen seine Rede.

Denise Loop, Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Nordfriesland, hob die Arbeit des Parlamentskreises Minderheiten im Bundestag hervor, dem sie ebenfalls angehört. Im Rahmen dieses parlamentarischen Gremiums setze man sich für die vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland ein und behalte darüber hinaus auch die deutschen Minderheiten im Ausland im Blick, erklärte sie.

Hinsichtlich zukünftiger Herausforderungen sprach Loop – ähnlich wie schon der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler am Tag zuvor – die Kürzungen im Bundeshaushalt an, von denen auch die Minderheitenförderung betroffen ist. „Aber hier sind wir im überfraktionell im Gespräch, wie wir dies wieder rückgängig machen können“, so Loop. Minderheitenpolitik dürfe nicht vergessen werden, sondern müsse weiterhin eine Rolle spielen, betonte sie weiter.

Anschließend wurden die Schlussfolgerungen der internationalen Konferenz „Ewald Ammende“, die die FUEN Anfang des Jahres in Brüssel mit 40 Expertinnen und Experten für Minderheitenfragen durchgeführt hatte, diskutiert. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ebenjener Konferenz herrschte Einigkeit darüber, dass es in den letzten 20 Jahren in Europa keine Fortschritte bei der Anerkennung und dem Schutz der Rechte von Minderheiten gegeben habe. Stattdessen gehe der aktuelle Trend in die entgegengesetzte Richtung – Rückschritt statt echter Fortschritt.

Prof. Dr. Fernand de Varennes, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen, und Prof. Dr. Paul Videsott vom Südtiroler Volksgruppen-Institut (SVI) präsentierten während des heutigen Panels unter dem Titel „Planung für das Jahr 2099“ schließlich die Implikationen der genannten Konferenz Anfang März.

In der Eröffnungsrede des Panels wies FUEN-Präsident Loránt Vincze darauf hin, dass die Expertinnen und Experten sich einig gewesen seien, dass die FUEN genau das Richtige getan hat. Dennoch seien neue Strategien erforderlich, um den Schutz von Minderheiten voranzutreiben.

Fernand de Varennes erklärte, dass der Optimismus von vor 30 Jahren in Bezug auf die Minderheitenrechte längst verflogen sei; dass es in Europa seit etwa 20 Jahren kaum oder gar keine nennenswerten Entwicklungen gebe, um den Schutz von Minderheiten im Vergleich zu anderen marginalisierten Gruppen voranzutreiben; und dass sich die Behandlung nationaler Minderheiten sogar zu verschlechtern scheine, insbesondere was die Verwendung von Minderheitensprachen bei offiziellen Aktivitäten und vor allem im Bildungsbereich betrifft. „Wir haben eine kritische Phase erreicht und müssen herausfinden, wie wir dem offensichtlichen Trend des Rückschritts in einem derzeit teilnahmslosen und manchmal sogar feindseligen politischen Kontext entgegenwirken können“, so der ehemalige UN-Sonderberichterstatter.

Die Expertinnen und Experten hatten im März diesbezüglich eine Reihe von Schritten vorgeschlagen. Zu den allgemeinen Ansätzen gehört, dass die FUEN und andere Organisationen eine Arbeitsgruppe für die nächste Entwicklungs- und Aktionsphase einrichten: die Ausarbeitung eines neuen Manifests zu den Rechten nationaler Minderheiten im 21. Jahrhundert – mit dem Ziel, vom bloßen „Symbolismus“ zu einer Strategie für die tatsächliche Gleichstellung nationaler Minderheiten überzugehen. Dieses Manifest soll eine Vision dessen bieten, welche Rechte geschützt und verankert werden müssen, sowie aufzeigen, wie Respekt und Unterstützung für sprachliche und kulturelle Vielfalt sichergestellt werden können, um den Gemeinschaften vor Ort konkret zu helfen.

Die Verträge des Europarats zu nationalen Minderheiten und Sprachen schaffen keine direkt einklagbaren Rechte, und viele Staaten betrachten sie nicht mehr als verbindliche Verpflichtungen, denen sie nachkommen müssen. Die bestehenden Berichtsmechanismen und Empfehlungen sind sehr langwierig und werden oft ignoriert. Aus diesem Grund sollte die FUEN eine Arbeitsgruppe und ein Programm einrichten, um diese Instrumente zu reformieren und zu verbessern.

Um die Sichtbarkeit und Präsenz nationaler Minderheiten in europäischen Institutionen sicherzustellen, sollte eine Europäische Minderheitenversammlung gegründet werden. Diese sollte als unabhängige internationale Nichtregierungsorganisation die größte und umfassendste Minderheitenversammlung in Europa darstellen. Ziel sollte es sein, ein rechtliches Partnerschaftsabkommen mit dem Europarat zu unterzeichnen. Darüber hinaus sollten Ständige Minderheitenforen als vorrangige Initiativen innerhalb der EU und des Europarats eingerichtet werden, um eine beratende Funktion auszuüben sowie eine bedeutende Präsenz, Raum und Zugang zu diesen internationalen Organisationen zu erhalten.

Ein Team von Rechtsexpertinnen und -experten, das Fälle von Bedeutung für den Minderheitenschutz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und am Europäischen Gerichtshof überwacht und sich aktiv daran beteiligt, sollte eingerichtet werden. Dieses Team könnte die FUEN und ihren Mitgliedern fachliche Stellungnahmen zur Verfügung stellen und mit Minderheitenforschungsorganisationen zusammenarbeiten, um Berichte darüber zu erstellen und zu veröffentlichen, wie die Rechte von Minderheiten am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und am Europäischen Gerichtshof behandelt und interpretiert werden.

Die Bemühungen um den Beitritt der Europäischen Union zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (FCNM) sowie zur Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sollten erneut aufgegriffen werden. Ebenso sollte die Einführung von Mindeststandards für den rechtlichen Schutz von Minderheiten in der EU vorangetrieben werden.

Paul Videsott betonte, dass das Wichtigste darin bestehe, Bewusstsein für die tatsächliche Situation der Minderheiten zu schaffen. Die Experten schlugen vor, ein Entwurfsprogramm mit gemeinsamen Zielen zu erstellen, auf die sich alle Minderheiten einigen können, sodass bei einer sich bietenden Gelegenheit bereits ein vorbereitetes Konzept zur Präsentation vorliegt. Es sollten zudem Zielvorgaben festgelegt werden, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten. Sollte die Minderheit weiterhin zahlenmäßig zurückgehen, müssen neue Strategien entwickelt werden. Drittens wird ein Umsetzungsplan benötigt, um die zukünftige Vorgehensweise zu planen.

Die Diskussion über Minderheitenrechte in der Europäischen Union wurde im darauffolgenden Panel fortgesetzt. Moderiert von Dr. Beate Sibylle Pfeil, Rechtsexpertin für Minderheitenfragen in Europa, nahmen hieran die drei Europaparlamentarier Herbert Dorfmann, Rasmus Andresen und Loránt Vincze sowie das Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), Elvira Kovacs, teil.

Die zweite Hälfte des Tages stand dann ganz im Zeichen der sechs FUEN-Arbeitsgemeinschaften, die sich an verschiedenen Orten in Nordfriesland zu internen Arbeitssitzungen trafen sowie auch Ausflüge in die nähere Umgebung unternahmen. Abgerundet wurde der zweite Tag des diesjährigen FUEN-Kongress sodann mit einem sogenannten Minderheitenmarkt im Husumhus, in dessen Rahmen die FUEN-Mitgliedsorganisationen Spezialitäten aus ihrer jeweiligen Heimat zum Probieren anboten.

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